Otitis externa (OE) – das
gemeine Taucherohr |
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von Dr. Hans-Michael Hackenberg www.hackenberg-hm.de
Es gibt kaum ein Taucherleiden, das einem den Tauchurlaub so
nachhaltig verderben kann wie die Entzündung des äußeres Gehörganges. Wer
jemals so ein „Taucherohr“ miterlebt hat, wird künftig alles daran setzen,
derartigem Leid vorzubeugen.
Phase 1
Der typische Beginn ist heimtückisch, schleichend. Bei zunächst noch gut
funktionierendem Druckausgleich meldet sich oft schon nach wenigen Tauchgängen
eine kitzelnde oder juckende Sensation im betroffenen Gehörgang mit dem
unwiderstehlichen Drang irgendwelche passenden Gegenstände in den Gehörgang
einzuführen um mit kurbelartigen Bewegungen den Juckreiz desselben zu
befriedigen.
Phase 2
Kaum folgt der Taucher diesem anfänglich durchaus lustbetonten Drang, setzt
auch schon die zweite Phase des Krankheitsbildes ein. Aus dem Juckreiz wird
innerhalb weniger Stunden ein oberflächlicher, stechender und wenig später
meist tiefer, dumpfer, widerlicher Schmerz. Die normalerweise ordnungsgemäß an
den Schädel angelegte Ohrmuschel klappt sich wie die Haltekelle eines
Verkehrspolizisten heraus, so als wolle sie andeuten: Stop, nicht tauchen!
Bereits das sanfteste Betatschen so eines Segelohres kann heftige körperliche
Abwehrreaktionen auslösen, oft in Form einer Kettenreaktion, so dass
gelegentlich ganze Tauchgruppen zu Schaden kommen.
Für den eigentlich Betroffenen hören sich die Geräusche in der Umgebung nach
einer Weile seltsam gedämpft und abgeschwächt an. Das rührt daher, dass der
Gehörgang sich in der Zwischenzeit durch kräftiges Anschwellen der
auskleidenden Haut verschlossen hat.
Phase 3
Wenn jetzt nicht sehr rasch gehandelt wird (siehe unten) folgt unweigerlich die
Phase drei, in der selbst die härtesten Tauchergestalten plötzlich in einen
wimmernden Kleinkindeszustand verfallen. Verständlicherweise, denn inzwischen
tobt der Schmerz in der vormals noch Ohr genannten Region des Schädels derart höllisch,
dass selbst kräftige Schmerzmittel sang- und klanglos versagen und der Ruf nach
Morphium immer lauter wird. Spätestens jetzt äußern die Betroffenen den
Wunsch nach einem unverzüglichen Heimflug in der Hoffnung, zuhause unter mütterlicher
bzw. ehefraulicher (-männlicher) Obhut und der Rückendeckung durch eine gute
HNO-Klinik die ganze Situation doch noch zu überleben. Die Alternative des
Arztes am Urlaubsort ist bekanntlich bei unseren Urlaubszielen nur selten
gegeben.
Was sind die Ursachen für ein derart gemeines
Krankheitsbild?
Da ist zunächst einmal das Ohrschmalz, medizinisch Cerumen genannt.
Dieses Schmalz wird von bestimmten Zellen der Haut im Gehörgang produziert und
dient dem Schutz des Gehörganges. Viele nach außen gerichtete Härchen
veranlassen das an der Oberfläche abtrocknende Schmalz sich nach außen zu
bewegen.
Dem Hygienebewusstsein unserer Zeit folgend, neigen jedoch viele Taucher dazu,
in regelmäßigen Abständen mit Hilfe sogenannter Wattestäbchen oder ähnlicher
Gerätschaften selber das Schmalz aus dem Gang zu entfernen. Dabei werden
oftmals Schmalzreste aufs Trommelfell gedrückt und stellen somit die Basis für
einen Schmalzpfropfen dar, andererseits werden die nach außen gerichteten Härchen
mechanisch in die „falsche Richtung“ gekämmt und können somit ihrer
Schmalzleitfunktion nicht mehr nachkommen. Die Folge ist eine
Schmalzanreicherung im Gehörgang.
Dass beim Tauchen Wasser in den Gehörgang gelangt, ist jedem
klar. Dass dieses Wasser das vorhandene Schmalz aufquellen lässt, ist auch
klar. Dass besonders Salzwasser hier ein tückisches Medium ist, versteht sich
von selbst: Salzwasser rein, Schmalz quillt auf, Salzwasser kann nicht mehr
vollständig raus, Wasser verdunstet, besonders gut in tropischer Sonne und
Seewind, übrig bleibt Schmalz-Salz-Matsch, der schließlich immer
konzentrierter wird und letztlich auf der Haut des Gehörganges Juckreiz
erzeugen muss.
Wo es juckt wird gekratzt: Fremdkörper in den Gehörgang,
Juckreiz zunächst besser, Fremdkörper verletzt ein bisschen die obersten
Hautschichten, Schmalz-Salz-Matsch kann noch besser einwirken und jetzt können
endlich auch unsere lieben Bakterien mitmischen. Mit stolzen Namen wie
Pseudomonas aeruginosa, Proteus, Staphylokokkus aureus aber auch Escherichia
coli, Streptokokkus faecalis machen sie sich ans Werk und infizieren sehr rasch
die obersten Hautschichten. Gelegentlich sind auch Pilze wie Candida albicans
oder Aspergillus niger mit im Spiel.
Körper wehrt sich: Lymphknoten werden aktiv und schwellen an,
Gewebshormone werden freigesetzt und erweitern die Blutgefäße, Haut wird rot
und hitzig und schwillt an, Gehörgang schwillt zu, Schmerz kommt mit aller
Macht, Verzweiflung kündigt sich an, da Tauchurlaub schon fast gestorben ist.
Kann sein, dass der Körper gewinnt: Nach einigen Tagen - bei
Tauchkarenz versteht sich – geht die Entzündungsreaktion von alleine zurück
und bis der Urlaub vorbei ist – wohlgemerkt ohne Tauchen – ist das Ohr
wieder gesund. Scheißurlaub, aber Glück gehabt.
Kann nämlich auch schlechter ausgehen: Vereiterung in der Gehörgangshaut,
Einbruch ins Mittelohr und/oder in tiefere Gewebsschichten, Einbruch in Blutgefäße,
Nervenbahnen, ja ins Hirn mit so lästigen Folgen wie Mittelohrentzündung mit
nachfolgender Taubheit, Blutvergiftung (Sepsis), Hirnentzündung (Encephalitis)
– verursacht meist bleibende Hirnschäden, selbst Exitus letalis ist denkbar.
Requiescat in pacem!
Vorbeugen ist besser als leiden
| Man lasse vor dem Tauchurlaub die Gehörgänge inspizieren
und gegebenenfalls vom Arzt (ob Hausarzt oder HNO-Facharzt ist wurst, beide
verdienen gerne etwas Geld!) ausspülen.
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| Man spüle nach jedem Tauchgang im Salzwasser die Ohren mit
angewärmten, sauberem Süßwasser aus, z.B. indem man das Wasser in den Gehörgang
einträufelt und wieder auslaufen lässt – ohne Druck!!
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| Falls beim Spülen Schmalzfetzen zum Vorschein kommen, kann
man versuchen durch Eintröpfeln von gebrauchsfertiger Wasserstoffperoxidlösung
(aus Ihrer Apotheke..) den Gehörgang zu reinigen. Wasserstoffperoxid
bewirkt eine schäumende Reinigung. Anschließend mit sauberem Wasser nachspülen
und in Ruhe lassen!
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| Man vermeide Wind und Zugluft an den Ohren! Cousteau-Mütze,
Beduinentuch (fördert die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort) sehr
sinnvoll!
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| Wenn’s juckt im Gehörgang auf keinen Fall mit
irgendwelchen Gegenständen im Gehörgang kratzen. „Burowsche Lösung“ (
Eisessig 5,0; Aqua dest. 10,0; Isopropanol 70% ad 50,0 – vom
Apotheker gemischt in Pipettenflasche) einträufeln. Brennt zwar etwas, kann
aber die Situation oft noch retten. Kurzzeitig aufs Tauchen verzichten!
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| Wenn’s anfängt weh zu tun, frühzeitig Schmerzmittel wie
ASS (Aspirin etc) einsetzen, 2 Tabletten in Wasser zerfallen lassen, dann
trinken. Aufs Tauchen verzichten. Wenn möglich Arzt aufsuchen.
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| Wenn's trotzdem weiter macht, möglichst Arzt aufsuchen
oder, wenn dies nicht möglich ist, Antibiotika einnehmen, die Hausarzt oder
Taucherarzt bereits vorher zur Sicherheit verschrieben hat (natürlich auf
Kosten des Tauchers und nicht der Krankenkasse!). Besonders geeignet sind
Gyrasehemmer wie Ofloxacin (Tarivid), Ciprofloxacin (Ciprobay) und ähnliche.
In vielen Fällen wirkt auch das viel billigere Cotrim forte (Bactrim forte)
etc. Dosierung steht im Beipackzettel. Richtig einnehmen, mindestens bis 3
Tage komplett beschwerdefrei. In dieser Zeit weder Tauchen noch Schwimmen.
Schmerzmittel zusätzlich möglich und sinnvoll. Ausflüge ins Inland,
Wallfahrten usw. sind jetzt sehr heilsam. Vielleicht sind am Schluss noch
ein paar Tauchgänge drin!
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| Und was ist bei den oben genannten schwersten
Komplikationen? Wenn’s eine Klinik vor Ort gibt, wird sie dem Betroffenen
nicht erspart bleiben. Wenn nicht, Rückreisegelegenheit suchen. Wenn nicht
möglich, doch wenigsten noch mal Angehörige und so verständigen... |